Leseproben

 

Vorwort

 

Stichworte wie Rating, Basel II/Basel III, Bankenkrise, Globalisierung, Dumping und Discounter haben die wirtschaftlichen Schlagzeilen und Themen der letzten Jahre bestimmt und üben ihren Einfluss durch neue bzw. geänderte Anforderungen an die Führung mittelständischer Unternehmen aus. Nicht zuletzt aus diesem Grund haben fast alle Unternehmer und Unternehmen erkannt, dass ein Controlling heutzutage unerlässlich ist, um das eigene Unternehmen krisensicher auszurichten und erfolgreich zu führen.

 

In meiner Berufspraxis habe ich erfahren, dass bei vielen kleinen, mittelständischen und teilweise auch großen Unternehmen ein erheblicher Bedarf hinsichtlich des Aufbaues eines unternehmensspezifischen Controllingsystems besteht, da oftmals nur geringe oder veraltete Controllingkenntnisse im Unternehmen existieren. Auf diesen Bedarf wird im Wesentlichen von mittelständischen Beratungsunternehmen eingegangen, wohingegen sowohl die Controllinglehre an den Universitäten und Fachhochschulen als auch die am Markt vorhandene Literatur fast ausschließlich auf die allgemeine und theoretische Erläuterung des Controllings statt auf die Konzeption und Implementierung von Controllingsystemen in Unternehmen ausgerichtet ist.

 

Es gilt daher, Controllern und Entscheidern in KMU eine detaillierte, verständliche Erläuterung zur Konzeption und Implementierung eines zeitgemäßen Controllingsystems im Unternehmen an die Hand zu geben. Unternehmer und Controller sollen in die Lage versetzt werden, durch eine praxisorientierte Anleitung sowie relevante Umsetzungsbeispiele ein auf die jeweiligen Unternehmensbedürfnisse zugeschnittenes Controllingsystem zu konzipieren und im eigenen Unternehmen erfolgreich zu implementieren. Mithilfe von konkreten Branchen- und Praxisbeispielen sowie Tipps und Checkup-Boxen wird individuellen Aspekten von KMU Rechnung getragen und die Anwendung auf das eigene Unternehmen ermöglicht.

 

Die Darstellungen richten sich dabei an mittelständische Unternehmen aller Größenklassen, vom Kleinstunternehmen bis hin zum familiengeführten Großunternehmen. Der sich aufgrund unterschiedlicherer Ressourcen, Anforderungen und Zielsetzungen der Unternehmen ergebenden Diskrepanz bei der Darstellung mancher Inhalte wird an vielen Stellen des Buches durch entsprechende Differenzierungen sowie durch unternehmensund branchenbezogene Beispiele Rechnung getragen.

 

Die Praxisorientierung des Buches wird durch zahlreiche Graphiken und Screenshots unterstützt, die dem Leser auch auf der Internetseite http://www.schmid-gundram.de nach Registrierung in Farbe und ggf. inklusive jeweiliger Excel-Formelverknüpfungen zum Download zur Verfügung stehen. Die verfügbaren Excel-Dateien können somit als Vorlage genutzt und direkt auf die unternehmensspezifischen Bedürfnisse angepasst werden.

 

Mein herzlicher Dank gilt der Nolte Group für ihre fachliche Unterstützung, insbesondere Ralf Jourdan und Martin Grabarczyk, sowie meiner Frau für ihre private Unterstützung.

 

Ralf Schmid-Gundram

im Juli 2014

Offenbach an der Queich

 

Vorwort
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Kapitel 1: Einleitung (Auszug)

 

Es ist das zweite Beratungsgespräch eines auf Controlling spezialisierten mittelständischen Unternehmensberaters bei einem Bauunternehmen mit ca. 25 Mitarbeitern irgendwo an der Westküste Schleswig-Holsteins, zwischen Deichen und Bauernhöfen: Der Unternehmensberater fragt den Eigentümer, Geschäftsführer und Meister des Familienunternehmens in dritter Generation: „Wie kalkulieren Sie Ihre Angebote?“ Der Bauunternehmer antwortet: „Mittels Zuschlagskalkulation.“ Daraufhin fragt der Unternehmensberater: „O.K., und wie ermitteln Sie die Zuschlagssätze?“ Der Mandant antwortet: „Naja, die wurden so ermittelt, wie ich das in der Meisterschule gelernt habe: Die Gemeinkosten werden zuzüglich Gewinnzuschlag in das Verhältnis zu den Personalkosten gesetzt und somit der Aufschlag auf den Lohnsatz ermittelt.“ „Gut“, sagt der Berater, „das ist grundsätzlich für Ihre Anforderungen in Ordnung. Und wann haben Sie den Zuschlagssatz zuletzt ermittelt?“ Der Unternehmer überlegt: „Tja, das hat noch der Vater gemacht …“, dreht sich Richtung Büro um und ruft: „Mutter? Wann ist Papa gestorben?“ Aus dem Büro ruft die Mutter zurück: „1993.“ Der Bauunternehmer antwortet daraufhin dem Unternehmensberater: „Also, das war circa ein Jahr vor Vaters Tod. Also circa 1992.“

 

Diese wahre Begebenheit ist sicherlich symptomatisch für viele mittelständische Unternehmen: Obwohl sich in den letzten 20 bis 30 Jahren grundlegende Dinge in der Wirtschaft gewandelt haben – so haben z. B. Personalkosten, Mietkosten oder Leasingkosten heutzutage sicherlich einen ganz anderen Anteil an den gesamten Kosten als in den 80er oder 90er Jahren –, haben sich viele mittelständische Unternehmen, insbesondere im Handwerk, nicht darauf eingestellt und richten ihren Fokus ausschließlich auf die Qualität ihrer Leistungserbringung. Controlling, also die Analyse von Daten zur Vorbereitung von Unternehmensentscheidungen, kommt dabei viel zu kurz. Dies war vor 20 bis 30 Jahren vielleicht auch nicht (unbedingt) erforderlich, da sich das Handwerk gerade in einem Verkäufermarkt befand, d. h. in einem Markt mit deutlich höherer Nachfrage als Angeboten, aber es ist heutzutage in einem Käufermarkt unerlässlich, da die Kunden – u. a. bedingt durch Internationalisierung und Globalisierung – die freie Wahl zwischen einer Vielzahl von Anbietern haben und hierdurch in der Regel die Gewinnmargen geringer geworden sind.

 

Die Schilderung und Problemdarstellung mag auf das Handwerk und auf kleinere Unternehmen bezogen sein – im produzierenden Sektor und bei mittelständischen Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern sind im Allgemeinen sicherlich ganz andere kaufmännische Ressourcen und mindestens grundlegende Controllingsysteme vorhanden –, aber vom Ein-Mann-Unternehmen bis zum Großkonzern gilt: Die Märkte und die Wirtschaft haben sich in den letzten Jahrzehnten geändert, und Unternehmen können wirtschaftlich nur erfolgreich sein, wenn sie ihre Zahlen kennen, ihre Kosten im Griff haben und Geschäftsentscheidungen auf Basis wirtschaftlicher Fakten getroffen werden!

 

Dem Controlling kommt daher heutzutage bei jeder Unternehmensgröße und in allen Branchen eine größere Bedeutung zu, welche nachfolgend für unterschiedliche Anwendungsbereiche (operativ oder strategisch) und Zielgruppen (interne oder externe) dargestellt wird. Anschließend werden die Anforderungen, die heute an das Controlling zu stellen sind, erläutert und zum Abschluss von Kapitel 1 die Notwendigkeit der unternehmensindividuellen Anpassung des Umfangs eines Controllingsystems beschrieben.

 

 

Kapitel 2: Controllinginstrumente (Auszug)

 

Um der zuvor dargestellten Bedeutung des Controllings innerhalb und außerhalb des Unternehmens gerecht zu werden und die an das Controlling gestellten Anforderungen zu erfüllen, bedarf es verschiedener Controllinginstrumente, die nachfolgend im Detail beschrieben werden.

 

Die Nutzung der Controllinginstrumente steht dabei in Abhängigkeit zum Umfang eines Controllingsystems (vgl. Abb. 1.1), d. h., Informationstiefe und Informationsbreite (vgl. Abschn. 1.3) lassen sich hiermit in unterschiedlicher Ausprägung und Güte abbilden (s. Abb. 2.1).

 

Wie Abb. 2.1 zeigt, sind aktuelle Unternehmenszahlen sowie daraus abgeleitete Kennzahlen lediglich die (Informations-)Basis für ein Controllingsystem. Erst durch Planwerte bzw. eine Planungsrechnung sowie Abweichungsanalysen erhält ein Controllingsystem ein Mindestmaß an Informationstiefe. Durch ein ausgewogenes Berichtswesens kann dann auch die erforderliche Informationsbreite gewährleistet werden, wobei Excel-basierte Instrumentarien (z. B. in Form einer Balanced Scorecard oder eines Vier-Fenster-Berichtes) in der Regel nur eine beschränkte und somit verhältnismäßig geringe Informationstiefe bieten. Erst ein vollintegriertes Datensystem (Management Informationssystem/MIS) ist in der Lage, den vollen Umfang eines Controllings sowohl in der Breite als auch in der Tiefe abzubilden, und stellt somit das perfekte Instrumentarium dar.

 

2.1 Aktuelle Unternehmenszahlen

 

Wie oben dargestellt, können aktuelle Unternehmenszahlen (Ist-Zahlen) ausschließlich als Informationsbasis dienen. Ohne jegliche Planwerte bzw. eine entsprechende Planungsrechnung und somit ohne die Möglichkeit einer Abweichungsanalyse sind jegliche aktuelle Zahlen sowohl für eine strategische als auch für eine operative Unternehmensführung ungeeignet.

 

Dies wird so deutlich herausgestellt, da nach wie vor bei einer Vielzahl mittelständischer Unternehmen – insbesondere bei Kleinen Unternehmen und/oder Unternehmen aus dem Handwerk – die Meinung vorherrscht, dass es ausreichend sei, sich einmal im Monat die Unternehmenszahlen „anzuschauen“. Oftmals sind die Zahlen dabei extern vom Steuerberater erstellt und beziehen sich ausschließlich auf die Rentabilität (Gewinnund Verlustrechnung). Hierdurch lässt sich jedoch bestenfalls eine Aussage darüber treffen, ob das Unternehmen im aktuellen Jahr einen Gewinn oder Verlust erwirtschaftet hat – mehr nicht. Dass dies heutzutage jedoch selbst für ein Kleinstunternehmen und egal in welcher Branche absolut nicht ausreichend ist und weder die Bezeichnung „Controlling“ noch „Unternehmensführung“ verdient, ist bereits erläutert worden (s. Abschn. 1.1, 1.3).

 

Oftmals liegen als aktuelle Unternehmenszahlen ausschließlich Zahlen aus der Buchhaltung bzw. des externen Steuerberaters vor. Bereits hierbei sind jedoch bestimmte Anforderungen zu berücksichtigen (s. nachfolgend Abschn. 3.4.2 und 4.3.1, und es ist sicherzustellen, dass neben einer monatlichen GuV mindestens auch eine monatliche Bilanz vorliegt, zumal beides bei richtiger Systemeinstellung und ordnungsgemäßer Buchhaltung automatisch von den Buchhaltungssystemen (z. B. Lexware, DATEV oder SAP FI/CO) erzeugt und ausgegeben wird.

 

Reine Zahlen der Erfolgs- und Bestandskonten sind jedoch als Informationsbasis für ein Controllingsystem nicht ausreichend (vgl. Abb. 1.1). Vielmehr sind diese durch aktuelle Liquiditätszahlen, operative Zahlen, Zahlen zu weichen Faktoren und externe Zahlen/ Trends zu ergänzen. Welche Daten innerhalb dieser Rubriken für ein aussagekräftiges und ausgewogenes Controllingsystem und somit für eine fundierte Unternehmensführung benötigt werden, ist im Rahmen der unternehmensindividuellen Konzeption (s. nachfolgend Abschn. 4.2) festzulegen. Tabelle 2.1 bietet ein allgemeines Beispiel und soll verdeutlichen, dass entsprechende für das Controlling benötigte Unternehmenszahlen selbst bei einem Kleinen Unternehmen z. B. vom Sekretariat oder durch Delegation an mehrere zuständige Mitarbeiter erbracht werden können (vgl. nachfolgend Abschn. 3.3).

 

2.2 Kennzahlensysteme/KPI

 

Zusätzlich zu der Darstellung und Auswertung reiner Unternehmenszahlen bieten Kennzahlen – oder auch Key Performance Indicator (KPI) – ein gutes Instrument, um Zahlen zueinander in Bezug zu setzen und so eine wechselseitige Abhängigkeit auszudrücken bzw. diese für Analysezwecke zu nutzen. Kennzahlen können je nach Bezugsgröße und Berechnungsmethodik verschiedene Vorteile bieten:

• Effizienz: Mehrere Werte, die inhaltlich zueinander in Bezug stehen, können gebündelt werden und zu einem oder mehreren anderen Werten in Beziehung gesetzt werden. So werden z. B. bei der Working Cpaital Ratio (WCR) zunächst die einzelnen Positionen des Umlaufvermögens aufsummiert, davon die kurzfristigen Verbindlichkeiten subtrahiert und das Ergebnis dann in Bezug zu einer weiteren Größe wie z. B. Umsatz oder kurzfristiges Umlaufvermögen gestellt.

• Fokussierung: Durch die zuvor genannte Effizienz ermöglichen Kennzahlen auch eine Fokussierung auf nur einen Wert – unabhängig von den ganzen Werten, die „im Hintergrund stehen“. Trotz einer Vielzahl von Stellgrößen fokussiert sich letztendlich alles auf eine Kennzahl, wie z. B. der Treiberbaum des Du-Pont-Kennzahlensystems (s. nachfolgend Abb. 2.2) sehr gut verdeutlicht.

• Aussagekraft: Die Effizienz und Fokussierung durch die Nutzung einer Kennzahl ermöglicht es, mit der Kennzahl ein Ziel zu formulieren und eine plakative Aussage zu treffen. So drückt z. B. die Kennzahl der Kapitalrendite, Return on Investment (ROI), bereits in ihrer Bezeichnung das eigentliche Ziel aus (d. h. Erzielung einer Rendite auf das eingesetzte Kapital) und ermöglicht als Kennzahl (z. B. 3 %) einen allgemein verständlichen und plakativen Vergleich (z. B. Rendite auf Bankguthaben = 1,5 %).

• Analysefunktion: Durch die Wahl der Bezugsgröße können Aussagen getroffen werden, deren Bedeutung sich bei bloßer Betrachtung einer der Zahlen nicht erschlossen hätte. So setzt z. B. die Lagerreichweite den Wert des aktuellen Lagerbestandes in das Verhältnis zum Wareneinsatz (bzw. Lagerverbrauchs), rechnet ggf. den resultierenden Monatswert auf Tage um und trifft somit eine – zugegebenermaßen sehr pauschale – Aussage über die Versorgungssicherheit bzw. Lieferbereitschaft in Tagen.

 

Durch die Nutzung verschiedener Unternehmenszahlen als Bezugsgrößen zueinander lassen sich ganze Kennzahlensysteme entwickeln, wie z. B. das Du-Pont-Kennzahlensystem (s. Abb. 2.2)1, das umfassende Kennzahlen in Bezug auf die Gewinn- und Verlustrechnung sowie die Bilanz bietet.

 

Vorteile des Du-Pont-Kennzahlensystems sind, dass es eine Ergebnis- und Bilanzanalyse ermöglicht und somit eine Basis für die kaufmännische Unternehmensführung darstellt. Zudem können sämtliche Kennzahlen sehr einfach durch das Rechnungswesen aus der Buchhaltung (Erfolgs- und Bestandskonten) ermittelt werden. Eindeutiger Nachteil dieses Kennzahlensystems ist, dass es sich nur auf Finanzkennzahlen fokussiert und somit nach heutiger Auffassung als ausschließliche Informationsquelle bzw. als einziges Steuerungsinstrument für eine ausgewogene und nachhaltige Unternehmenssteuerung nicht ausreichend ist.

 

Grundsätzlich kann die Kapitalrendite (ROI) jedoch nach wie vor als wesentliche Kennzahl gesehen werden, da sie die finale Messgröße für jedes Unternehmen mit Gewinnerzielungsabsicht darstellt und sich jedes Unternehmen diesbezüglich im Rahmen der Marktwirtschaft daran messen lassen sollte bzw. sich selbst daran messen sollte, um die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit der unternehmerischen Aktivität zu überprüfen. Jeder Unternehmer – egal ob Eigentümer einer Einpersonengesellschaft oder Gesellschafter eines Großunternehmens – sollte anhand der Kapitalrendite beurteilen, ob die durchschnittlich bzw. nachhaltig zu erzielende Rendite aus seiner unternehmerischen Aktivität profitabler ist als andere Anlageformen seines Kapitals (z. B einer festverzinslichen Anleihe mit 3,5 % Rendite).

 

Die Kapitalrendite sollte daher in jedem Controllingsystem als Basiskennzahl Beachtung finden und insbesondere im Rahmen einer langfristigen bzw. dauerhaften Zielsetzung genutzt werden. Auf dem Weg dahin sind jedoch eine Vielzahl anderer Kennzahlen für die strategische Unternehmensführung und das operative Tagesgeschäft von Bedeutung, sodass Kennzahlen insgesamt als wichtiges Instrument des Controllingsystems genutzt werden sollten. Im nachfolgenden Abschn. 4.2 werden hierzu verschiedene Basiskennzahlen, Detailkennzahlen und unternehmensspezifische Kennzahlen vorgeschlagen.

 

Controllinginstrumente (Auszug)
9783658025960-c1.pdf
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